Die spitzartigen Hunde.
In der Steinzeit, als der Mensch auf Pfahlbauten sich schützende Heimstätten schuf, war der Torfspitz ein Hausgenosse des Menschen; Schädelfunde in Europa und Asien beweisen es. Die Weitläufigkeit seiner Verbreitung bezeugen noch heute der Samojedenspitz im Norden und der Battakhund in Sumatra. An den eingeschlagenen Schädeln aus Steinzeitfunden – der damals üblichen Art der Tötung der zur Ernährung dienenden Tiere – ersieht man, daß der Vorfahr unserer Spitze zur Erhaltung des primitiven Menschen beitragen mußte, wie dies beim Battakspitz noch heute der Fall ist, soweit er nicht zu den glücklicheren Exemplaren gehört, die besonderer Begabung wegen zur Jagd oder als hütende und auch behütete üte Lieblinge der Frauen eine Sonderstellung einnehmen. Daß diese Spitzform in frühester Zeit auch im südlichen Europa und in Nordafrika eine Rolle als Hausgenosse spielte, zeigen altägyptische Abbildungen, Terrakotten und griechische und römische Münzen.
Richard Strebel spricht Mitteleuropa und und Mittelasien als die Urheimat des Spitzes an; Sumatra wäre also ein südlicher Ausläufer seiner Verbreitung. In kynologischen Werken wird er erst Anfang vorigen Jahrhunderts bei uns genannt, offenbar weil er zu ,,ordinär“ war, um besprochen zu werden, meint Strebel. Beckmann weist auf den mittelalterlichen „Mistbella“ hin, der neben dem größeren„,Hovawarth“ die Höfe bewachte – „Mistbella“ geheißen, weil er auf dem Miste bellte. Dieser Standort erklärt auch, daß sein Name zum Schimpfwort wurde, denn nach Beckmann findet sich die Bezeichnung „Spitz“ zum ersten Male in der Form „Spitzhund“ als Schimpfwort, das nach der Hausordnung des Grafen Eberhardt zu Sayn 1450 seinen Hausleuten zu gebrauchen verboten war. Die veränderte Form „Spitzhut“, die „Ankläger“ bedeutet, findet sich in der ersten hochdeutschen Ausgabe des „Reinicke Voß“.
Erst in der 1800 herausgegebenen „Cynographica Britannica“ wird der Spitz ausführlich beschrieben als Spitz oder Fuchshund. In Deutschland bringt 1836 Dr. L. Reichenbach eine genaue Beschreibung. Er gibt ihm den Rang eines der Urhunde, nennt ihn „canis pommeranus„, französisch „chien pomérien„, „chien loup„, oder „lou-lou de Poméranie“, englisch „the pomerian wolfdog“, schwedisch „Pomerske Spetzen“.
Hierzu bemerkt Strebel, Pommern als des Spitzes Ursprungsland anzunehmen, sei anfechtbar, vermutlich wurde der weiße Spitz dort systematisch gezüchtet und Pommern für diesen bekannt, wie heute Mannheim für den schwarzen Zwergspitz bekannt ist. Beckmann vertritt die Ansicht, der Pommer sei vermutlich aus Skandinavien eingeführt, oder mit den schweren Lastfuhrwerken aus Finnland gekommen und habe sich allmählich zur Spezialrasse in Pommern entwickelt. England führte ihn Ende 1700 ein, aber dortige Kynologen verfahren wenig glimpflich mit ihm. Ein Kläffer, mürrisch im Wesen, ohne Anhänglichkeit, und mißtrauisch wird er genannt! Armer Spitz! Durch Jahrtausende hat er kläffen sollen, hat mit seinem überaus feinen Gehör das Nahen Fremder vernommen und gemeldet, hat der Menschen Eigentum, die Wagen der Fuhrleute, die Kähne der Flußfischer, bewacht. Als lebhafter Beobachter machte er es sich zur Aufgabe, alles Unbekannte zu melden. Neugierige Unruhe wurde ihm eigentümlich, Mißtrauen gegen Fremde verblieb und das Bestreben Eigentum zu schützen, das
ihm oft wichtiger scheint als der Mensch, der dazu gehört. Wer sich den Spitz richtig erzieht, kann keinen anhänglicheren Freund finden, da er unbestechlich ist. Der Spitz ist unglaublich schlau. Man möchte sagen, er habe sich aus seiner,,Mistbella-Zeit“ die Bauernklugheit bewahrt. Daß solch temperamentvoller Hund nicht einfach zu dressieren ist, liegt auf der Hand; ruhige Konsequenz ist nötig. Zur Jagd ist der Spitz gut zu gebrauchen, das beweisen zwingend die nordischen Spitzhundrassen, vor vor allem der Elchhund. Daß unser deutscher Spitz oft gefährliches Jägerblut besitzt, muß nur zu oft echtes und unechtes Spitzerlein als Wilderer büßen.
Man unterscheidet langhaarige, stockhaarige und kurzhaarige Spitze. Zu den langhaarigen gehört der deutsche Spitz, holländischer Keeshond, nordische und südliche spitzartige Hunde; zu den stockhaarigen, außer sibirischem Laika, der Elchhund. Kurzhaarig sind der belgische Schipperke und einige chinesische und indische spitzartige Hunde.

Deutscher Spitz.
(Abb.151.) Der deutsche Spitz hat eine große und eine Miniaturform. Zu der großen gehören der Wolfsspitz, der schwarze, der weiße und andersfarbige Spitz. Die Zwergspitze werden in schwarze, braune, weiße und andersfarbige eingeteilt. Erfreulich ist, daß die Zucht des Wolfsspitzes erheblichen Aufschwung genommen hat; sein herrliches Haarkleid, die stramme kräftige Figur, der echte Spitzercharakter geben ein vollendetes Bild uralter, urwüchsiger Rasse. Das lebhafte Temperament macht ihn zum idealen Wachhund, der auch groß genug ist, eventuell verteidigend einzugreifen. Er hat weniger Jagdpassion als andere Spitzarten.

Über die Autorin
Augusta („Aga“) Clara Elisabeth, Gräfin vom Hagen (1872-1949), wurde auf Schloss Möckern geboren und entstammte dem altmärkischen Adelsgeschlecht vom Hagen. Sie erhielt eine private Ausbildung und studierte anschließend Malerei bei namhaften Künstlern wie Reinhold Lepsius, Lovis Corinth und Claudio Castelucho, später auch in Paris. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ließ sie sich in Berlin nieder, wo sie zur Förderin der modernen Kunst wurde und enge Kontakte zu Künstlern wie Max Beckmann, Alfred Kerr und Carl Sternheim pflegte. Während des Ersten Weltkriegs diente sie freiwillig im Sanitätsdienst und lernte dabei den Schriftsteller und Kunsttheoretiker Carl Einstein kennen, mit dem sie eine langjährige Beziehung verband. Neben ihrer künstlerischen und gesellschaftlichen Tätigkeit veröffentlichte sie 1914 das Buch „Die Hunderassen“, ein reich illustriertes Werk über Zucht, Haltung und Charaktereigenschaften verschiedener Hunderassen. Nach 1945 lebte sie wieder in Möckern, verlor jedoch durch die Bodenreform ihren Besitz. Aga vom Hagen wurde 1946 verhaftet, in das sowjetische Konzentrationslager Schlieben/Berga gebracht und verstarb dort am 8. April 1949.
Quellenangaben:
Die Hunderassen. Ein Handbuch für Hundeliebhaber und Züchter. Mit 256 Abbildungen. Aga Gräfin vom Hagen, Potsdam, Athenaion (2. Auflage) 1935
- wikipedia.org/wiki/Aga_vom_Hagen
- Hans Kinkel (Hg.), Max Beckmann – Leben in Berlin. Tagebuch 1908–1909, 1966
- https://mbl.ub.ovgu.de/Biografien/0726.htm