Van Zaandam 1902-1971 – Anfänge der Wolfsspitz-Zucht in England
Eine Geschichte zwischen Zufall und Leidenschaft
Viele der heutigen Wolfsspitze und Keeshonden, gehen auf die englische Zucht mit Hunden aus den Niederlanden und Deutschland ab 1902 zurück – so auch einige unserer heutigen Großspitze. Aus den Aufzeichnungen aus den verbliebenen Zuchtbüchern ist uns bekannt, dass die Hunde Texel (Vater Samojede, Mutter Mina unbekannt) und Schie sowie Dirk, Edam und Fips Sauter die Zuchtgrundlage bildeten. Die ersten Keeshonds wurden 1902 von Mrs.Wingfield Digby persönlich nach England mitgebracht und als „Dutch Barge Dogs“ registriert, was so viel wie „Niederländische Lastkahnhunde“ (auf einem Warenboot begleitende Hunde) heißt – dies blieb so bis zur Gründung des Keeshond Clubs 1925.


Entstehung: „Dutch Barge Dog“ in England
Die Geschichte der Zuchtstätte Van Zaandam ist eng mit dem Namen der Engländerin Mrs. Wingfield Digby verbunden, die durch ihr lebenslanges Engagement maßgeblich zur Etablierung und Entwicklung der Wolfsspitz-Zucht in England beigetragen hat. Der Ursprung dieses Zwingers war dabei keineswegs geplant, sondern ergab sich aus einer schicksalhaften Begegnung, die sich im Jahr 1902 ereignete.
Die damals 17-jährige Gwendolen Hamilton Fletcher, spätere Mrs. Wingfield Digby, befand sich mit ihren Eltern und Freunden auf einer Segelreise an Bord ihrer neuen Yacht „Joyeuse“. Ziel war die niederländische Küste. Als sich das Schiff den Küstenregionen näherte, entdeckten die Passagiere lebhafte Hunde auf den einheimischen Segelbooten, die bellend über die Decks liefen. Die auffällige Ähnlichkeit der Tiere untereinander weckte das Interesse der Reisenden: Es war sofort ersichtlich, dass es sich nicht um gewöhnliche Mischlinge handelte. Die Hunde erinnerten an kleine Schäferhunde, sogenannte Miniatur-Alsatians (Elsässer Hunde), mit einem unverwechselbaren Erscheinungsbild.
Diese spontane Begegnung mit den niederländischen Hunden faszinierte Gwendolen Fletcher so sehr, dass sie und ihre Familie beschlossen, in dem kleinen Ort Zaandam, einem Vorort von Amsterdam, vor Anker zu gehen. Der Aufenthalt, ursprünglich ungeplant, dauerte eine ganze Woche. In dieser Zeit begegneten sie den Hunden immer wieder, was das Interesse der jungen Frau weiter vertiefte. In Zaandam, so stellte sich heraus, gab es mehrere Züchter, die sich auf die sogenannten Keeshonden – wie die Rasse in den Niederlanden genannt wird – spezialisiert hatten.
Tief beeindruckt von diesen Hunden, entschied sich Fletcher, zwei Welpen mit in ihre englische Heimat zu nehmen. Für jeweils zwei Gulden erwarb sie zwei Tiere, die sie „Barkles“ und „Zaandam“ nannte. Letzterer sollte später zum Namensgeber ihres Zwingers werden – eine Hommage sowohl an den Hund selbst als auch an den Ort, der den entscheidenden Anstoß für ihre züchterische Laufbahn gegeben hatte.




Zwei Jahre nach dieser ersten Reise ergänzte sie ihre Zuchtbasis um zwei weitere Hunde, „Dirk“ und „Edam“. Diese vier Hunde bildeten gemeinsam den Grundstock der Linie Van Zaandam. Aus der Verbindung dieser Tiere ging die Hündin Amalia van Zaandam (*01.03.1914) hervor. Sie wurde später mit Terschelling (*09.02.1917) verpaart – einem Sohn von Schie (der wiederum aus Dirk und Edam stammte) und Texel, einem niederländischen Hund mit einem Samojeden-Vater. Diese Linie brachte schließlich Nachkommen wie Saanie und Breda hervor1 , die zu den frühen Vertretern der englischen Wolfsspitzzucht zählten.

Der Zwinger Van Zaandam steht somit exemplarisch für den Aufbau der Wolfsspitzzucht in Großbritannien und zeugt vom nachhaltigen Einfluss einer zufälligen Begegnung auf eine ganze Züchtergeneration. Mrs. Wingfield Digby hat mit ihrer passionierten Arbeit nicht nur die genetischen Grundlagen für die Rasse in England geschaffen, sondern auch eine Verbindung zwischen der niederländischen und britischen Hundezuchtgeschichte gestiftet.
Mit Hilfe von Miss Van der Blom folgten 1925 zwei weitere Hunde Bartel van Zaandam (*06.03.1923) und Tilly van Zaandam (*02.03.1923). Die Hunde mussten sechs Monate in Quarantäne in Zwingern in Southampton verbringen. Bartel kam aus einer Zucht von Herrn E. Schmidt aus Sindelfingen bei Stuttgart und war ursprünglich unter dem Namen Billo von der Maiblume eingetragen.


Bartel wurde 06.03.1923 geboren Vater war Wächter von Zuffenhausen, geboren am 15.07.1916 Mutter war Agnes von der Maiblume, geboren am 25.01.1921. Bartel erhielt 1929 die erste Urkunde (challenge certificate) die der Keeshond Club vergab. Zu den Nachkommen von Bartel und Tilly gehörten u. a. Karel van Zaandam und Gilda de Witt, beide bekannte Hunde ihrer Zeit.

Nachdem sich der Keeshond Club etabliert hatte, gewann die Rasse schnell an Popularität. Englische Züchter arbeiteten mit deutschen Züchtern zusammen, um ihren Genpool zu erweitern. Diese Exporte wurden eine wichtige Grundlage des britischen Keeshonds.

Dochfour Hendrik (ein Nachkomme von Bartels Tochter Gesina) wurde 1929 unter Mrs. Wingfield Digby der erste englische Keeshond-Champion. Er zeugte viele bekannte Gewinner und Champions, wie beispielsweise Dochfour Sargo und Dochfour Jacob.

Ein kritischer Kommentar von Mrs. Wingfield Digby zu Dochfour Hendrik:
„Er ist ein hervorragender Hund. Seine Haltung und Bewegungen sind perfekt; sein Fell ist schön; seine Ohren klein und gut angesetzt; er hat dunkle Augen; eine schöne Färbung; einzig um zu versuchen, ihn zu bemängeln, er ist ziemlich groß auf den Beinen, und die Schnauze ist einen Schatten lang, und die Brille könnte deutlicher gezeichnet sein.“

Ende der 1920er Jahre stieg die Zahl der Züchter in England. Einige größere Züchter schlossen sich mit weiteren, weniger bekannten Besitzern und kleineren Züchtern zusammen. 1926 waren gerade einmal 33 Hunde beim Kennel Club registriert, zwei Jahre später war die Zahl auf 131 gestiegen.2

Später verfasste Mrs. Wingfield Digby ein Buch über ihre Zuchtgeschichte, das den treffenden Namen „My Life with Keeshonden“ trägt, übersetzt „Mein Leben mit Spitzen“.

My life with Keeshonden *
Gwendolen Wingfield Digby, Sherborne Verlag 1972
Quellenangaben:
- https://www.spitzdatenbank.de
- http://www.jellkees.com/SomeKeeHistory.html
- Copinger, Rawdon B. Dogs of the British Isles. London: Horace Cox, 1886.
- FCI – Fédération Cynologique Internationale. Rassestandard Keeshond / Wolfsspitz. https://www.fci.be
- The Kennel Club (UK): Historie und Entwicklung der Rasse Keeshond/Wolfsspitz in Großbritannien. https://www.thekennelclub.org.uk
- Spitz-Archiv Deutschland. „Zuchtstättenchroniken – Van Zaandam“.
- British Keeshond Club. „A Short History of the Breed in the UK.“ https://keeshondclub.org.uk
- http://www.keeshondarchives.co.uk/the-early-history.html ↩︎
- http://www.keeshondarchives.co.uk/the-1920s.html ↩︎
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