Spitze.
(Weisse, graue, Wolfsspitze.)
Officielle Racekennzeichen:
Die verschiedenen Varietäten unseres Spitzes haben sich von jeher fast nur durch ihre abweichende Färbung unterschieden. Als die älteste und am frühesten zur constanten Race ausgebildete Form dürfte jedenfalls der noch jetzt an der Eifel und am Unterrhein (namentlich in der Gegend von Düsseldorf, Aachen, Crefeld) häufig vorkommende und in Bezug auf Form, Behaarung und Färbung sich gut und constant vererbende graue Spitz (auch Wolfsspitz, gewöhnlicher Spitz oder Fuhrmannsspitz genannt) zu bezeichnen sein. Die schon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich entstandene Benennung des Spitzes als ,,chien loup“ kann wohl nur in Folge der in damaliger Zeit vorherrschenden wolfsgrauen Färbung des Spitzes gewählt worden sein. Dass der Spitz, wenn auch anfänglich aus dem hohen Norden stammend, doch zuerst in Deutschland, und zwar vorzugsweise an den Ostseeküsten zur bestimmten Race ausgebildet wurde, bezeichnen unter anderem schon die alten Benennungen dieser Hunde, als ,,Canis Pomeranus„, das englische „Pomeranian“ und das französische „loup loup de Pomeranie„, wie auch das deutsche „Pommer„. Die in früherer Zeit häufiger als jetzt auftretenden farbigen (braunen, gelben, rahmfarbenen), wie auch die gefleckten Spitze haben sich nie einer grösseren Beliebtheit erfreut und sind in neuerer Zeit fast ganz verschwunden. Dagegen wurden die einfarbig schwarze und die rein weisse Varietät schon seit Ende vorigen Jahrhunderts immer häufiger gezüchtet und allmählich zu bestimmt abgegrenzten und constanten Racen ausgebildet. Dazu kommen in neuester Zeit die beiden Nebenracen der kleinen Zwerg- und Seidenspitze.
Die sämmtlichen Spitze Deutschlands sind daher:
A. Grosse Spitze.
1. Der gewöhnliche graue Spitz oder Pommer (auch Fuhrmannsspitz oder Wolfsspitz).
2. Der weisse Spitz.
3. Der schwarze Spitz.
B. Kleine oder Zwergspitze.
4. Der eigentliche Zwergspitz (Zwergform der grossen Spitze).
5. Der Seidenspitz (Kreuzung vom Zwergspitz und Malteser).

Grosse Spitze.
Die unterscheidenden Charaktere beschränken sich vorzugsweise auf die Färbung, doch ist der gewöhnliche graue Spitz oder Pommer meist etwas grösser und robuster gebaut, auch reichlicher und derber behaart, als die weissen und schwarzen Spitze. Die nachstehenden Racekennzeichen sind daher für alle mit Ausnahme der Färbung drei Formen der grossen Spitze giltig:
- Allgemeine Erscheinung: Grösse etwa 1/2 bis, der eines mittleren Hühnerhundes ent-sprechend. Kurz gedrungene Figur von kecker Haltung mit fuchsähnlichem Kopfe, spitzen Ohren und seitwärts auf den Rücken gerollter, buschiger Ruthe. Behaarung reichlich und locker, am Hals eine starke Krause bildend, Kopf, Ohren und Fürse kurz und dicht behaart. Unruhiges, argwöhnisches Naturell, beim geringsten Verdacht sofort belfernd und kläffend, daher vorzugsweise als Wachthunde gehalten und gezüchtet.
- Kopf: Mittelgross, von oben gesehen erscheint derselbe nach hinten am breitesten und verschmälert sich keilförmig bis zur Nasenspitze. Im Profil zeigt sich der Oberkopf hoch gewölbt, vor den Augen plötzlich abfallend, Schnauze spitz, Nasenrücken schmal, gerade, Nase rund, klein, Lippen nicht überfallend und keine Falte am Mund-winkel bildend. Ohr kurz, dreieckig zugespitzt, hoch angesetzt und immer aufrecht mit steifer Spitze getragen. Auge mittelgross, länglich geformt und etwas schräg gestellt.
- Hals und Rumpf: In Folge der reichlichen Behaarung ist es bei dieser Race unmöglich, die einzelnen Formen genauer zu beurtheilen. Bei geschorenen Exemplaren finden wir, dass der Spitz meist in guten Verhältnissen gebaut ist. Hals mittellang, Rücken völlig gerade, Brust vorn tief, seitlich gewölbt, und der Bauch nach hinten mässig aufgezogen.
- Ruthe: Mittellang, hoch angesetzt, platt auf den Rücken gebogen und dann seitlich geringelt.
- Läufe: Mittellang im Verhältniss zum Rumpf, stämmig und völlig gerade, die hinteren im Sprunggelenk nur wenig gebogen.
- Füsse: Klein, rundlich, zugespitzt, mit gewölbten Zehen.
- Haar: Am ganzen Kopf, Ohren, an den Füssen, wie an der Aussen- und Innenseite der Vorder- und Hinterbeine kurz, weich und dicht, am ganzen übrigen Körper reich und lang behaart. Das Eigenthümliche des Spitzerhaares besteht darin, dass es namentlich am Hals und an den Schultern ringsum locker und gerade vom Körper absteht, ohne gewellt oder zottig zu erscheinen, oder sich auf dem Rücken zu scheiteln. Die grösste Länge erreicht das Haar unter dem Halse; die Hinterseite der Vorderläufe trägt eine stark ausgebildete, nach unten allmählich verlaufende Feder vom Ellbogen bis zum Fussgelenk hinunter, an den Hinterläufen reicht die Feder nur bis zum Sprunggelenk hinab, so dass der Hinterfuss von da bis zur Sohle kürzer behaart etscheint.
- Farbe: Grauer gewöhnlicher Spitz, einfarbig, wolfsgrau, d. i. gelbgrau oder aschgrau, mit schwärzlichem Anflug der einzelnen Haarspitzen; an der Schnauze und der Umgebung der Augen, an den Läufen, dem Bauch und der Ruthe heller graugelb und weisslich gefärbt, und zwar in ähn-licher Ausdehnung, wie die bekannten Abzeichen unserer Dachshunde, jedoch weit unbestimmter und farbloser. Der weisse Spitz soll rein kreideweiss erscheinen, ohne jeden gelblichen Anflug, welcher namentlich an den Ohren häufig auftritt. Die Behaarung des schwarzen Spitzes muss auch im Grunde dunkel gefärbt sein und auf der Oberfläche als glänzendes Blauschwarz ohne alle weissen oder farbigen Abzeichen erscheinen. Bei allen drei Spitzenformen müssen Nase und Nägel schwarz, die Augen dunkelbraun gefärbt sein.
- Als Fehler sind bei den Spitzen zu betrachten: Zu stumpfe Schnauze und flacher Oberkopf, zu lange oder nicht völlig steif gestellte, oder gar nach vorn oder seitlich überschlagende Ohren, eine nicht dicht am Körper liegende, sondern hochgetragene oder hängende Ruthe, wellenförmige, auf dem Rücken gescheitelte Behaarung. Beim grauen Spitz ist eine auffällige schwarze Gesichtsmaske und schwarze Flecken auf den Vorderfüssen (Daumenmarke), wie überhaupt alle schwarzen und weissen Abzeichen fehlerhaft, ebenso soll der weisse wie der schwarze Spitz durchaus einfarbig weiss oder schwarz und frei von allen Abzeichen und Flecken sein. Fleischfarbige Nasen und helle Augen immer fehlerhaft.
„Zu der Zeit, als das Frachtfuhrwerk noch in voller Blüthe stand, als die Strassen und Chausséen von schweren, sorglich grau und weiss geplanten Wagen belebt und befahren wurden, deren riesige Last von kräftigen Hengsten, die Dachsschwarte am Kummet, einhergeschleppt wurde, da war“ schreibt Hering „die Glanzperiode unseres Spitzpommers. Sah man ein solches Fuhrwerk sich näher wälzen, so konnte man sicher sein, eines Spitzers fern kläffende Stimme zu hören, die im Zorne und in der Bosheit oftmals überschnappte und heiser zu werden drohte. Trotz allem Rasseln und Prasseln hatte der feinhörige Spitz in seiner Schosskelle neben dem schlummernden Fuhrknecht oder in seinem unter dem Wagen hängenden Schiffe, hervorlungernd unter allerlei Ketten, Winden und Hemmschuhen, die nahenden Tritte eines Fremdlings erkannt und seinem Herrn rechtzeitig die lebhafteste Meldung gemacht. Mit einer Wachsamkeit begabt, wie sie penibler bei keiner andern Hunderace zu finden ist. war er für das Leben und Treiben, welches das frühere Fuhrwesen mit sich brachte, wie geschaffen; mit dem Knechte und den Pferden war er voll-tändig verwachsen“.
„Wenn sein Herr in der Kneipe sass, lagerte der brave Spitzer als unbestechlicher Wächter unter’m Wagen, alles mit Polizeiblick (daher der Name Polizeispitzel!) fixirend und höchst maliciös ankläffend, wer sich dem Wagen näherte. Weder vorgeworfene Leckerbissen, noch das Locken der sich nähernden Dorfhunde konnten seine Gewissenhaftigkeit wankend machen oder ihn vermögen, seinen Posten zu verlassen. Auf dem Lande war er der Hüter für Haus und Hof. Nur durfte man ihn nicht an die Kette legen, frei musste er sein Terrain durchlaufen können, nach seinem Gutdünken sich die Thürschwelle, eine Treppenstufe, den Misthaufen zum Lager wählen. Er entwickelte sich ohne alle Dressur mit dem zunehmenden Alter schnell und sicher zu einem aufrichtigen Hausgenossen, wie er zuverlässiger, wachsamer nicht gedacht werden konnte, liebreicher gegen die Kinder und feindseliger gegen alles Fremde. Den Wechsel der Zeit hat der Spitzer erfahren; die Neuzeit hat ihn überall verdrängt, Pinscher und grössere Racen haben ihn vom Fuhrwerk und aus den Hofräumen verdrängt, dazu mag beigetragen haben, dass der Spitz, wie die Katze, mehr am Hause als an dem Hausherrn hing und ungern nur dazu sich entschloss, das Gehöft, worin er aufgewachsen war, mit einem anderen zu vertauschen.“ – Hering schliesst seinen Artikel: „Blickt man unbefangen auf ihn, so steht fest, dass der Mensch in ihm einen Freund und Helfer empfing, der an Selbstlosigkeit, Aufmerksamkeit, Unermüdlichkeit, Zuverlässigkeit und Treue manchem Menschen recht wohl als Muster dienen kann. Sein Geschlecht bleibe deshalb stets in Ehren!“
Über den Autor
Oskar Horn (1841–1908) war ein deutscher Schriftsteller, Journalist und Mitglied des Münchner Dichterkreises „Die Krokodile“ 1 . Nach einem Studium der Philosophie und Geschichte in München wandte er sich zunächst der Literatur, später verstärkt dem Journalismus zu und war u. a. Chefredakteur der Norddeutschen Zeitung 2. 1868 gründete er das Süddeutsche Sonntagsblatt in Regensburg. Er verfasste zahlreiche Werke, darunter das populäre Handbuch des Hundesports (1890), die Novelle Jugendliebe (1872), das Lustspiel Überraschungen (1872) und das Festspiel Im Siegesheimzug (1871). Zudem war er als Übersetzer tätig, etwa mit der deutschen Fassung von Swinburnes Chastelard (1873). Sein Nachlass dokumentiert auch seine langjährige Funktionärstätigkeit innerhalb der „Krokodile“.
Quellenangabe:
Handbuch des Hunde-Sport, Oscar Horn, Wien, 1882
