Der Spitz und der Fuhrmann bei Hans Grasberger (1895)

Das Maria-Buch: Eine Wallfahrtsgeschichte

In Maria-Buch erzählt Grasberger die Geschichte der Gertrauderin Marie, die mit einem toten Kind im Gepäck zur Wallfahrt nach Maria-Buch kommt. Ihr Ankommen löst bald Misstrauen und Verdächtigungen aus: Man spricht von Kindesmord, Heuchelei und einem möglichen Skandal. Marie ist krank, ihr Geist verstört, und ihr Verhalten erscheint vielen rätselhaft und widersprüchlich. Der Arzt, der sie versorgt, wird von ihrer Genesung ebenso gerührt wie von ihrer geheimnisvollen Herkunft, und die Mutter des Arztes übernimmt mit großer Anteilnahme ihre Pflege – doch das Verhältnis zwischen Maria und ihren Helfern bleibt gespannt, geprägt von Scham, Zurückhaltung und einem tiefen inneren Konflikt.

Wallfahrtskirche Maria-Buch in der Steiermark

Parallel dazu entwickelt sich ein anderes Beziehungsgeflecht: Der lange Veit, ein Fuhrmann, ist in die Vergangenheit von Marie involviert und spürt ein starkes Unbehagen gegenüber den Gerüchten um sie. Gleichzeitig ringt der Kohlschreiber Huber mit seiner eigenen Schuld und den Konsequenzen ihres Schicksals für sein Leben. Sein innerer Monolog zeigt, wie sehr ihn seine einstige Beziehung zu Marie belastet, und dass er sich für sein Verhalten verantworten muss – nicht nur vor sich selbst, sondern möglicherweise auch vor dem Gericht. Durch solche Verflechtungen thematisiert Grasberger Schuld, Vergebung und die Suche nach Erlösung auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene.

Der Fuhrmann auf der Straße

Im ersten Kapitel steht der Fuhrmann Veit im Mittelpunkt – ein wortkarger, erfahrener Mann, der mit seinen Schimmeln und seinem klugen Spitz regelmäßig die steilen Straßen zwischen Steiermark und Kärnten befährt. Der Spitz, flink, klug und wachsam, begleitet ihn auf allen Wegen, springt behände auf die Wagendecke und weiß genau, wann es Zeit ist, weiterzuziehen. Er ist Veits ständiger Gefährte, Wächter und Spiegel seiner eigenen Besonnenheit – ein stiller Zeuge des Lebens auf der Landstraße. Halt macht das Gespann beim Wirtshaus „Zu den Drei Königen“, einer kleinen Gebirgswirtschaft, die der alte Dreikönigwirt und seine Tochter Resi führen. Resi, fleißig und stolz, hält Männer wie Veit auf Abstand, und doch verbindet die beiden ein unausgesprochenes, leicht spöttisches Verstehen.

[…] sein Spitz weiß auf der staubigen Straße Bescheid, so daß er nur selten von der Blache (Plane) herab oder unter der Wage hervor die weißen Zähnlein bleckt.

Während der Rast wird Veit aufgeschreckt, als er ein junges Mädchen über die Straße eilen sieht – die Gertrauder Marie, eine sonst so tugendsame Magd aus dem Lavanttal. Sie scheint auf der Flucht, vermeidet jeden Blickkontakt, und selbst der Spitz reagiert unruhig auf ihre hastige Erscheinung. Veit erkennt sie kaum wieder und spürt, dass etwas nicht stimmt. Auf seiner Weiterfahrt beschäftigt ihn das Bild des verschreckten Mädchens – sein tierischer Begleiter scheint das Unheil zu wittern, während der Fuhrmann nachdenklich wird.

Später, in St. Gertraud, erfährt Veit von der Wirtin Frau Groggerin, dass Marie tatsächlich verschwunden ist – ohne Abschied, ohne Erklärung. Man munkelt von Liebeskummer oder Schande, doch niemand weiß Genaueres. Der Spitz ruht treu zu seinen Füßen, als Veit über das Schicksal der Vermissten sinniert und der alten Frau verspricht, nach ihr Ausschau zu halten…

Grasbergers Roman ist ein Zeitzeuge dafür, dass der Spitz ein treuer und intelligenter Begleiter von Fuhrleuten, als Fuhrmannspitz, auch im österreichischen Raum war.

Über den Autor

Hans Nepomuk Grasberger
Pseudonym: Karl (Carl) Birkenbühl

Grasberger (1836 – 1898) war ein österreichischer Dichter, Lyriker und Kunstkritiker. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und arbeitete später als Journalist für Zeitungen wie die „Presse“ und die „Wiener Zeitung“. Ab 1867 war er Korrespondent in Rom, wo er Kunst studierte und unter anderem Kunstkritiken verfasste. Grasberger war auch als Mundartdichter bekannt und veröffentlichte zahlreiche Gedichtsammlungen in steirischer Mundart, was ihn stilistisch mit Peter Rosegger verglich. Unter dem Pseudonym Carl Birkenbühl schrieb er unter anderem Sonette. Zu seinen bekannten Werken zählen „Singen und Sagen“ und „Plodersam“. Nach seinem Tod wurde ihm in Wien mit der Grasbergergasse und in Graz mit der Grasbergerstraße gedacht.


Quellenangaben:



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