Der Löwenspitz oder Löwenspitzer

Früher wurde der Spitz häufig als „Spitzer“ bezeichnet – eine heute ungebräuchliche, aber sprachhistorisch logische Form. Das Wort „Spitzer“ entstand aus dem Adjektiv „spitz“ durch Anhängen der Endung -er, wie es im älteren Deutsch üblich war, um Personen oder Dinge mit bestimmten Eigenschaften zu kennzeichnen – ähnlich wie bei „Langer“ oder „Dicker“.

Der „Spitzer“ war demnach einfach „der spitze Hund“. Im Laufe der Zeit setzte sich im Sprachgebrauch die verkürzte Form „Spitz“ durch, wie wir sie heute kennen. Die Entwicklung von „Spitzer“ zu „Spitz“ ist ein typisches Beispiel für sprachliche Vereinfachung im Laufe der Jahrhunderte.

Der Begriff „Löwenspitzer“ bezeichnet also keine neue oder eigenständige Rasse, sondern ist lediglich eine alternative Bezeichnung für den prächtigen, großen Spitz mit seiner auffälligen Mähne. Um 1850 entstanden mehrere große Hundezuchtanstalten in Deutschland, darunter bekannte Namen wie Cäsar & Minka oder das Unternehmen von Arthur Seyfarth. Zwischen diesen Züchtern entbrannte ein regelrechter Wettbewerb darum, wer die edelsten und teuersten Hunde anbieten konnte. Dabei wurde auch sprachlich kräftig am Markenimage gefeilt: Aus dem Berghund wurde der „Riesenberghund“, und aus dem Spitz – ganz im Sinne des Zeitgeists – der imposant klingende „Löwenspitzer“.

Postkarte mit einem Löwenspitz (vertrieben durch Cäsar & Minka)

Der Löwenspitz bei Cäsar und Minka

Die Rassezüchterei, vielmehr einer von mehreren Hunde-Großhändlern seiner Zeit, bot neben Hunden diversen „Genres“ auch Hundefutter und Zubehör an. Erst später, ab ca. 1905 gelangten die Postkarten-Kollektionen von „Hundetypen“ in den Verkauf.

Die Originalaufnahmen wurden von dem „Hof-Photograph“ Oscar Strensch direkt in den Zwingern in Wittenberg aufgenommen.

Oscar Strensch, Hof-Photograph, ca. 1887, Wittenberg, Rückseite mit Siegel
Oscar Strensch, Hof-Photograph (ca. 1887) 1
Oscar Strensch, Foto-Rückseite ca. 1900 - Hof-Photograph für Hundezucht in Zürich, Wien, Leipzig und Wittenberg
Oscar Strensch, Foto-Rückseite ca. 1900

Eine von vielen Werbeanzeigen von Cäsar und Minka mit Erwähnung der Postkarten:

Anzeige, Announce im Beiblatt der Fliegenden Blätter, 23.09.1910 - Cäsar & Minka Racehunde-Züchterei u. Handlung, Zahna (Preussen)
Anzeige im Beiblatt der Fliegenden Blätter, 23.09.1910

Der Löwenspitz tauchte in den Anzeigen nicht wörtlich auf, doch erhielt er inm angebotenen Buch „Des edlen Hundes – Aufzucht, Pflege und Dressur“ von Otto Friedrich (1889) ein eigenes Kapitel:

Löwenspitzer

Löwenspitzer Holzstich

Unter den zur Bewachung des Hofes und Hauses gehaltenen Hunderacen nimmt der Spitz die erste Stelle ein; er vereinigt mit einem reizbaren, unruhigen , kläffigen Wesen eine unermüdliche Wachsamkeit, welche selbst durch die grössten Strapazen nicht vermindert werden kann. Wie sehr der Spitz von seinem Beruf als Wächter überzeugt ist, zeigt seine Eigenthümlichkeit, dass er sich nicht gern an einen bestimmten Ruheplatz gewöhnen kann und will. Bald pflegt er auf dem Düngerhaufen, bald in irgend einem Stallwinkel, bald vor der Haus- oder Hofthür sein Lager auf zuschlagen . Er muss frei und ungebunden das ihm zur Be wachung überlassene Revier durchstreifen können , so dass er ebenso gut auf den obersten Boden als in den tiefsten Keller des Hauses gelangen kann. Ebenso kontrolirt er die Ställe und die Gärten , und geht er wirklich einmal mit dem Pferdegespann auf das Feld, so ist sein Platz da , wo die Kleidungsstücke der auf dem Felde beschäftigten Leute liegen. Ebenso treu bewacht er den Wagen des auf einsamer Strasse fahrenden Frachtfuhrmannes, und zu der Zeit , wo das Frachtfuhrwerk noch in Blüthe stand , war ein guter Spitz ein sehr gesuchter und gut bezahlter Hund.

Der Löwenspitzer ist die grösste der Spitzerarten, eine Abart des grossen Spitz mit glattem Kopfe. Er erreicht fast die Grösse eines Fuchses , ist jedoch kräftiger und muskulöser als dieser. Der Kopf ist flach , die Schnauze spitz, die Ohren schmal und aufrecht stehend , was ein Hauptmerkmal für die Reinheit der Race ist. Spitzer mit halb umgelegten Ohren sind nicht so werthvoll, als die mit gerade aufrecht stehenden. Die Behaarung ist sehr reich und während sie im Gesicht, an den Ohren und an den Füssen kurz anliegend ist , verlängert sie sich an dem Halse welcher kurz und kräftig sein muss und der Brust zu einer dichten Mähne; der Rücken ist gerade und die Ruthe ist ein voller buschiger Schweif, welcher grossentheils gerollt getragen wird. An den kräftigen Hinterschenkeln bilden sich Hosen. Zum grossen Theile ist die Farbe der Spitzer weiss, weissgelb und semmelgelb, selten kommen andere Spielarten vor, so dass der ganz schwarze Spitz eine grosse Seltenheit ist. 2

Arthur Seyfarth und der Löwenspitzer

Eine weitere Quelle für den Löwenspitzer seiner Zeit war die Zuchtanstalt von Arthur Seyfarth. Er agierte mit einem ähnlichem Angebot in Köstritz (Thüringen) und zeigte, dass er 1864 gegründet, der erste große Edel-Rassezüchter mit eigener Zuchtanstalt war.

In seinen Anzeigen finden sich Löwenspitzer und Seidenspitzer. Auch er hat neben einem Preiskatalog „Album edler Rasse-Hunde„, ein Buch im Selbstverlag herausgebracht:

Der Hund und seine Racen. Anleitung zur Kenntnis der Hunderassen, der rationellen Zucht, Erziehung, Pflege, Dressur und Heilung der Krankheiten.“ (1900 erschienen)

Announce / Reklame aus 1901 von Arthur Seyfarth Zucht-Anstalt
Announce der Zuchtanstalt aus 1901
Announce / Reklame von Arthur Seyfarth Zucht-Anstalt

Preiskatalog und Rasse-Album von Arthur Seyfarth

Im Prospekt beworbene große Spitze: Wolfsspitze und Löwenspitze

Beschreibung aus dem Prospekt

Wolfsspitze und Löwenspitze

Der Wolfsspitz, Löwenspitz, auch pommerscher Spitz genannt, ist ein äusserst robuster, lebhafter und wachsamer Hund. Er hat glattes Gesicht, spitze Ohren, reiche, volle Behaarung, starke Mähne und auf dem Rücken gerollte Fahnenrute. Seine infolge des feinen Gehörs aussergewöhnliche Wachsamkeit ist sprichtwörtlich. Jedes unmerkliche Geräusch alteriert ihn, er spitzt die Ohren, springt auf und schlägt an. Der dichte, volle Pelz schützt ihn gegen Kälte und Nässe. Der Spitz eignet sich daher sehr für den Aufenthalt im Freien, für Wachtdienst wobei seine Anlagen vorzüglich zur Geltung kommen, zugleich ist er aber auch ein sehr angenehmer Zimmer- und Haushund. Wegen der wolfsgrauen Farbe wird er Wolfsspitz, die weissen oder schwarzen Spitze werden Löwenspitze, Friesländer, auch pommersche Spitze genannt. 3

Farben: schwarz, reinweiss, wolfsgrau, fuchsrot, braun

Grösse: 40-50 cm

Gewicht: 10-15 Kilo

Postkarte mit einem Löwenspitz (vertrieben durch Cäsar & Minka)

Aus dem Buch: Der Hund und seine Rassen

Der Löwenspitz.

(Canis pomeranus.)

Der Löwenspitz ist eine in Deutschland heimische, viel begehrte und sehr geschätzte Hunderasse und unter den Hunden, welche zur Bewachung von Haus und Hof gehalten werden, jedenfalls eine von eminentem Wert. Sein ausgezeichnet ausgebildetes Gehör- und Gesichtsorgan, sowie seine spitzfindige Nase und seine Ruhelosigkeit, wonach er stets im Hof, Garten, Ställen, Boden und Schuppen umherwandert, lässt nichts uninspiziert. Frei und ungebunden will er alle Räume des Hauses, Gartens und Hofes durchstreifen können und schlägt dann sein Nachtquartier unbekümmert um Wind, Kälte und Regen auf irgend einem passend erscheinenden Platz und erhöhten Standpunkt auf, um das ihm anvertraute Revier mit Kennerblicken mustern und überschauen zu können, wobei nicht das Geringste seinen scharfen Sinneswerkzeugen entgeht. Begleitet er das Pferdegespann, mit dem er förmlich verwachsen zu sein scheint, ins freie Feld, so ist sein Aufenthalt gewiss unter dem Wagen, wo er sich sicher auf die Kleidungsstücke niederlegt und unbekümmert um Wind und Regen geduldig des Heimganges wartet. Die in den Hof gehörenden Gänse und Hühner etc. kennt er alle einzeln und bringt eine etwa darunter geratene Fremde sofort aus seinem Dienstbereich, Der Spitz ist vor allen anderen Hunden auch mit einem ausserordentlichen Sehvermögen ausgestattet. In ihm besitzt man gleichzeitig ein sehr richtig gehendes Barometer, denn er zeigt durch verändertes Benehmen Witterungsveränderungen ziemlich genau vorher an. Bei eintretendem Regen liegt er zusammengerollt auf einem Ohr, bei herannahendem Schnee oder Sturm scharrt er Löcher in die Erde, um sich darin zu verbergen. Den Eintritt von Hitze und Kälte kann man bei genauerer Beobachtung seines Wesens gleichfalls von ihm erfahren.
Der Löwenspitz erreicht die Grösse eines Fuchses, hat mittelgrossen Kopf, welcher sich allmählich bis zur Schnauze verschmälert, Nasenrücken gerade und schmal, Nase klein und schwarz, Lippen straff, Augen mittelgross, dunkel und schräg gestellt, Ohren klein, dreieckig, spitz und steif hoch angesetzt; Hals mittellang, Bauch nach hinten aufgezogen, Rute meistenteils auf den Rücken gebogen, seitlich geringelt, Behaarung sehr reich am Kopf, Vorder- und Hinterläufen kurz, weich und dicht, um den Hals eine starke Löwenmähne.

Farbe rein, weiss oder schwarz, ferner löwengelb und wolfsgrau mit helleren oder dunkleren Schattierungen. 4

Gewicht 10 – 12 Kilo.
Grösse 40 – 45 Centimeter.


Quellen:

    1. Lexikon der Fotografen, aus der Sammlung Thiel – Melerski: Hof-Photograph Strensch ↩︎
    2. Des edlen Hundes Aufzucht, Pflege und Dressur, Otto Friedrich, 7. Auflage 1889 (Selbstverlag) ↩︎
    3. Album edler Rasse-Hunde. Deutsche Ausgabe, Selbstverlag, Arthur Seyfarth, 1905 ↩︎
    4. Der Hund und seine Rassen, Arthur Seyfarth, Köstritz – Selbstverlag – 1898 ↩︎



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