Die deutschen Spitze nach Franz Krichler (1892)

Die Heimat unseres allbekannten Spitzes müssen wir im hohen Norden suchen, wo seine nächsten Verwandten der Eskimohund und der schwedische Elchhund sind. Zur See ist er dann wahrscheinlich nach Deutschland gekommen und der Umstand, daß er seit langer Zeit bei uns „Pommer“, bei den Engländern Pomeranian“, bei den Franzosen „Loup-loup de Pommeranie“, bei den Spaniern „Lulu de Pomerania“ heißt, lassen vermuten, daß er über Pommern eingeführt worden ist. Die besten Spitze haben wir in Westdeutschland, Belgien und Holland, und namentlich die Form der sog. „Fuhrmannsspitze“ finden wir dort noch heute vielfach bei den Frachtfuhrleuten und Segelschiffern als Beschützer der Wagen und Schiffe.

Der Spitz ist ein stets wachsamer, mobiler Hund, der fast den ganzen Tag am kläffen ist und für den es keine andere Beschäftigung giebt, als beständig aufzupassen, ob nichts außergewöhnliches passiert. Jeder laute Tritt, jedes heftige Zuschlagen einer Thüre, Pferdegetrampel, fernes Lautwerden eines anderen Hundes haben zur Folge, daß er die Ohren spitzt, von seinem Lager aufspringt und auch wohl ein paarmal anschlägt. Er ist unter den Luxushunden das, was der Teckel unter den Jagdhunden ist, nur ist er größeren Hunden gegenüber nicht so mutig, wie dieser.

Wir unterscheiden zwei große Gruppen unter den Spitzen Deutschlands, nämlich a) Große Spitze, b) Kleine oder Zwergspitze.
In diesen beiden Gruppen finden wir dann noch fünf verschiedene Arten, für welche der Zwingerverband der Züchter von Luxushunden und Foxterriers sehr korrekte Kennzeichen aufgestellt hat, die ich hier wiedergebe.

a) Große Spitze.


1) Der gewöhnliche graue Spitz oder Pommer, auch Fuhrmanns- oder Wolfsspitz genannt,
2) der weiße Spitz,
3) der schwarze Spitz.

Diese drei Arten unterscheiden sich vorzugsweise durch ihre Färbung, wenngleich der gewöhnliche graue Spitz oder Pommer meist stärker und kräftiger gebaut, auch reichlicher und derber behaart ist als die beiden anderen Arten. Sieht man also von diesen Unterschieden der Färbung ab, so gelten für alle drei Formen der großen Spitze (Gruppe a) nachstehende Rassekennzeichen:

Allgemeine Erscheinung: Höhe etwa 30-45 cm und darüber. Kurze, gedrungene Figur von kecker Haltung mit fuchsähnlichem Kopfe, spitzen Ohren und stark gerollter, lang behaarter Rute. Behaarung reichlich und locker, am Halse einen starken, mähnenartigen Kragen bildend. Kopf, Ohren und Pfoten kurz und dicht behaart.

Unruhiges, arg wöhnisches Wesen, beim geringsten Verdacht sofort belfernd und kläffend, daher vorzugsweise als Wachthunde gehalten und gezüchtet.

Kopf: Mittelgroß; von oben gesehen erscheint der Oberkopf hinten am breitesten und er verschmälert sich keilförmig bis zur Nasenspitze. Von der Seite zeigt sich der Oberkopf hoch gewölbt, vor den Augen plötzlich abfallend, die Schnauze spitz, der Nasenrücken gerade und schmal, doch erscheint die Schnauze des Spitzes von oben eher breitgedrückt als hochkantig; Nasenkuppe rund, klein, Lippen nicht überfallend und keine Falten am Lippenwinkel bildend. Ohren kurz, nahe bei einander, dreieckig zugespitzt, hoch angesetzt und immer aufrecht mit steifer Spitze getragen. Auge mittelgroß, länglich geformt und etwas schräg gestellt.
Hals und Rumpf: Infolge der reichlichen Behaarung ist es bei dieser Rasse unmöglich, die einzelnen Formen genauer zu beurteilen. Bei geschorenen Exemplaren zeigt sich, daß der Spitz meist in guten Verhältnissen gebaut ist. Hals mittellang, Rücken völlig gerade, Brust vorn tief, Rippenkorb gewölbt, und der Bauch nach hinten mäßig aufgezogen.
Rute: Mittellang, hoch angesetzt, gleich an der Wurzel auswärts und nach vorn über den Rücken gebogen, dann seitlich abwärts gerichtet und kreisförmig gerollt locker am Körper anliegend.
Läufe: Mittellang, im Verhältnis zum Rumpfe stämmig und völlig gerade, die hinteren in den Sprunggelenken nur wenig gebogen.
Pfoten: Klein, rundlich, zugespitzt, mit gewölbten Zehen.
Behaarung: Am ganzen Kopfe, den Ohren, an den Pfoten, wie an der Außen und Innenseite der Vorder und Hinterläufe kurz, weich und dicht, am ganzen übrigen Körper reich und lang. Das Eigentümliche des Spitzhaares besteht darin, daß es namentlich am Halse und den Schultern ringsum locker und gerade vom Körper absteht, ohne gewellt oder zottig zu erscheinen. Auch auf dem Rücken scheitelt sich das Haar nicht, sondern es breitet sich locker anliegend nach hinten fächerförmig nach beiden Seiten aus. Die größte Länge erreicht das Haar unter dem Halse und an der Rute. Die Hinterseite der Vorderläufe trägt eine stark ausgebildete, nach unten allmählich verlaufende Feder von den Ellenbogen bis zu den Beugungen der Vorderknie hinunter; an den Hinterläufen reicht die Feder nicht ganz bis zu den Sprunggelenken hinab, so daß diese wie die übrigen Teile der Füße von da bis zu den Sohlen kurz behaart erscheinen.

Farbe:
1) Grauer, gewöhnlicher Spitz. Einfarbig wolfsgrau, d. i. gelbgrau oder aschgrau mit schwärzlichem Anfluge der einzelnen Haarspitzen; an der Schnauze und der Umgebung der Augen, an den Läufen, dem Bauche und der Rute heller graugelb und weißlich gefärbt, und zwar in ähnlicher Aussdehnung, wie die bekannten Abzeichen der Dachshunde, jedoch weit unbestimmter und farbloser, ganz der Zeichnung des Wolfes entsprechend.
2) Der weiße Spitz soll rein Kreideweiß erscheinen, ohne jeden gelblichen Anflug, welcher namentlich an den Ohren häufig auftritt.
3) Die Behaarung des schwarzen Spitzes muß auch im Grunde, ebenso die Haut, dunkel gefärbt sein und auf der Oberfläche als glänzendes Blauschwarz ohne alle weißen oder farbigen Abzeichen erscheinen.
Bei allen drei Spitzformen müssen Nase und Nägel schwarz, die Augen dunkelbraun gefärbt sein.

Als Fehler sind bei den Spitzen zu betrachten: Zu stumpfe Schnauze und flacher Oberkopf, zu lange oder nicht völlig steif gestellte, oder gar nach vorn oder seitlich überschlagende Ohren, eine nicht dicht am Körper liegende, sondern hoch getragene, seitwärts frei abstehende oder hängende Rute, wellenförmige, auf dem Rücken gescheitelte Behaarung. Beim grauen Spitz sind eine auffällige schwarze Gesichtsmaske und schwarze Flecken auf den Vorderfüßen (Daumenmarken), wie überhaupt alle schwarzen und weißen Abzeichen fehlerhaft; ebenso sollen der weiße wie der schwarze Spitz durchaus einfarbig weiß, bezw. schwarz und frei von allen Abzeichen und Flecken sein.
Fleischfarbene Nasen und helle Augen sind immer fehlerhaft.

b) Der kleine oder Zwergspitz.

Der eigentliche Zwergspitz besitzt genau dieselbe Behaarung wie die großen Spitze und unterscheidet sich von diesen nur durch die geringere Größe und entsprechend feinere Bauart. Die Ohren müssen sehr klein und äußerst fein behaart (Mausöhrchen), auch die Pfötchen auffällig fein behaart sein. Farbe schwarz, rostbraun oder silbergrau, ohne Abzeichen. Gewicht nicht über 4 kg. Augen und Nase immer schwarz, Nägel dunkel.

c) Der Seidenspitz.


Der Seidenspitz ist wahrscheinlich durch Kreuzung des Zwergspitzes mit dem Malteser entstanden; er unterscheidet sich von ersterem nur durch die prächtige, lange, feine, seidenartige Behaarung. Das Haar muß jedoch, wie bei allen anderen Spizen, möglichst gerade und locker abstehen, nicht wellenförmig, gelokt, gerollt oder zottig erscheinen. Farbe weiß, mit schwarzer Nase und schwarzen Augen. In neuerer Zeit sind auch einfarbig schwarze Seidenspitze aufgetaucht, welche, wenn sie im übrigen den Rassekennzeichen entsprechen, nicht abzuweisen sind. Von der langen, seidigen Behaarung abgesehen, sind alle Punkte einschließlich des Gewichts dieselben wie beim Zwergspitz, doch hat der Seidenspitz schmälere, feinere Pfötchen (Hasenpfoten). Bezüglich der Behaarung muß meist durch Scheren der Pfoten, der Schnauze und der Ohren nachgeholfen werden, um die äußere Erscheinung der echten Spitze möglichst getreu wiederzugeben. Je weniger jedoch diese künstlichen Nachhilfen nötig sind, um so größer ist der Wert der Seidenspize.


Quellenangabe:

Katechismus der Hunderassen, Krichler, Franz, Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber, Leipzig, 1892 🡭



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